Leitbild, Aufgaben, Ziele
Der Gegenstand sprachwissenschaftlicher Forschung ist die sprachvergleichende Beschreibung und Erklärung sowohl von Unterschieden als auch von Gemeinsamkeiten der Sprachen bezüglich ihrer Strukturebenen, ihrer historischen Entwicklung und des Verlaufs beim individuellen Spracherwerb sowie ihrer neurobiologischen, psychologischen und gesellschaftlichen Wurzeln und Rückwirkungen.
Einige der in Lehre und Forschung behandelten Fragen sind:
Als fakultätsübergreifende Neuheit besteht seit dem Wintersemester 1997/98 die Möglichkeit, an der Universität Klagenfurt Computerlinguistik (CL) zu studieren. Computerlinguistik ist eine zukunftsträchtige Disziplin, die den Studierenden ausgezeichnete Berufschancen ermöglicht. Das Studium der CL können Studierende der Informatik als Anwendungsfach absolvieren, wobei der Studienplan des Institutes für Informatik maßgeblich ist, die zu belegenden Lehrveranstaltungen jedoch am Institut für Sprachwissenschaft und Computerlinguistik angeboten werden. Selbstverständlich haben aber auch die Studierenden der Fächerkombination ‘Linguistik’ (mit philologischem Schwerpunkt) die Möglichkeit, computerlinguistische Lehrveranstaltungen zu besuchen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, im Rahmen eines Doktoratsstudiums computerlinguistische Schwerpunkte zu setzen. Ebenso ist es möglich, als individuelle Variante ein Studium irregulare ‘Sprachwissenschaft und Computerlinguistik’ zu absolvieren.
Das „Forschungszentrum für Gebärdensprache und Hörgeschädigtenkommunikation“ (FZGS) strebt die Erreichung folgender Ziele an:
Beteiligung an der internationalen linguistischen Arbeit bezüglich Gebärdensprachen
Beschreibung der Österreichischen Gebärdensprache, Herstellung von Materialien für den Unterricht (in Kooperation mit anderen einschlägig tätigen Institutionen)
Beteiligung an den Bemühungen zur Verbesserung der Situation der Gehörlosen in Österreich und auf internationaler Ebene; insbesondere auch bezüglich der Anerkennung der nationalen Gebärdensprachen
Etablierung Klagenfurts als eine europäische Koordinationsstelle für Gebärdensprachen und Gehörlosenbildung (in enger Zusammenarbeit mit der Europäischen und den nationalen Gehörlosenvertretungen)
Struktur, Organisation und Schwerpunkte der Forschung
Das Institut für Sprachwissenschaft und Computerlinguistik ist eine forschungsintensive Einrichtung. Die innerösterreichische sowie die internationale Verflechtung des Instituts ist eng und es findet ein intensiver wissenschaftlicher Austausch mit anderen Einrichtungen statt. Am Institut werden drei Fachzeitschriften regelmäßig publiziert:
Papiere zur Linguistik. Verlag Gunter Narr, Tübingen; Hrsg. W. Mayerthaler u. G. Fenk-Oczlon, Redaktion: G. Fenk-Oczlon. Die Zeitschrift erscheint halbjährlich und wird regelmäßig von Abstractdiensten wie LLBA erfaßt.
Klagenfurter Beiträge zur Sprachwissenschaft. Selbstverlag; Hrsg. H.-D. Pohl (bisher 24 Jg.; ab Jg. 25 ist die Übernahme der Zeitschrift durch den Verlag Edition Praesens geplant).
Österreichische Namenforschung. Seit 1994 (= Jg. 1993) Verlag Edition Praesens, Wien; Hrsg. H.D. Pohl. Die Zeitschrift hat in den letzten Jahren einen großen Aufschwung hinsichtlich ihres Umfanges erlebt; ab dem Jg. 26/1998 erscheinen jährlich 3 Hefte mit insgesamt über 300 Seiten. Der Band 25/1997 und der Band 26/1-2/1998 waren Festschriften für Karl Odwarka und Ingo Reiffenstein. Heft 26/3 enthält eine komplette Bibliographie der bisher seit Bestehen der Zeitschrift erschienenen Beiträge, der Jg. 28 (2000) Heft 2-3 enthält ein zweisprachiges Kärntner Ortsverzeichnis mit namenkundlichen Erläuterungen.
F. Dotter ist seit 1992 Mitherausgeber der Zeitschrift Sprachtypologie und Universalienforschung, Akademie Verlag, Berlin (vorher „Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsforschung“).
Inhalte der Forschung
Das Institut hat in den letzten Jahren neue Forschungsziele entwickelt, wobei jetzt folgende Themenbereiche im Mittelpunkt stehen:
Computerlinguistik (CL)
Die Klagenfurter CL hat als Hauptaufgabe die Entwicklung eines leistungsfähigen Parsers für das Deutsche. Dies impliziert die Bereitstellung einer reichen Datenbank/eines reichen Lexikons sowie die Implementierung der formalen Syntax/Morphologie und Semantik des Deutschen. Ein Parser dieses Typs ist gut für Information Retrieval, natürlichsprachliche Datenbankanfragen, die automatische Erstellung von Entity-Relationship Modellen, für die Grammatikalitätsprüfung im Rahmen der Textverarbeitung und für die automatische Übersetzung.
Weiters spielt die Klagenfurter CL eine zentrale Rolle in der Evaluierung von linguistischer Software:
Sprachtrainingsprogramme (vor allem jene, die im Self Access Centre der Uni angeboten werden)
Übersetzungsprogramme
Spracherkennungs- und Sprachsyntheseprogramme
Namenforschung
Die Namenforschung ist sowohl in der Forschung als auch in der Lehre vertreten. Schwerpunktmäßig werden die österreichischen Bergnamen sowie das gesamte Namengut slawischer Herkunft untersucht. Darüber hinaus wird eine vollständige Erhebung aller Namen in Osttirol, den Karnischen Alpen und den Karawanken inklusive der angrenzenden Gebiete des slowenischen und italienischen Staatsgebietes angestrebt, wobei die Gemeinde Kals am Großglockner den Mittelpunkt darstellt. Dort findet auch jährlich das traditionelle „Kalser Namenkundliche Symposium“ statt.
Südbairische Dialektologie und Sprachkontaktforschung
Am Schnittpunkt der drei großen europäischen Sprachfamilien in der Alpen-Adria-Region ergibt sich für dialektologische Forschungen ein reiches Betätigungsfeld. Im Rahmen der Arbeiten am Kärntner Sprachatlas wird systematisch der slowenische und romanische Einfluss auf die Kärntner und Osttiroler Mundarten erhoben.
Österreichisches Deutsch
Aus den Forschungen zur Dialektologie ist ein weiterer Schwerpunkt hervorgegangen, nämlich die Beschäftigung mit den österreichischen Besonderheiten der deutschen Standardsprache. Insbesondere wird die Auswirkung der Lage Österreichs auf dem Gebiet des bairischen Großdialekts und im Süden des deutschen Sprachgebietes in romanischer und slawischer Nachbarschaft untersucht.
Kognitive Linguistik
Kognitive Linguistik beschäftigt sich mit Interdependenzen zwischen dem kognitiven System und dem (Sub-)System Sprache. Wechselseitige Abhängigkeiten zwischen diesen Systemen lassen sich u.a. aus einer ko-evolutionären Perspektive analysieren (vgl. Fenk-Oczlon, G., Fenk, A.: Co-evolution of cognitive functions and natural language. 13th Conference of the Int. Society for Human Ethology. In: Communication, Cognition and Evolution. Wien, 1996, 47). Die meisten Studien fokussieren aber auf eine Seite dieser Abhängigkeit: Manche Sprachuniversalien lassen sich aus der Arbeitsweise unseres Gedächtnisse vorhersagen bzw. auch erklären (vgl. Fenk-Oczlon, G., Fenk, A.: Prediciton and explanation of cross-linguistic regularities within the functional-typological paradigm. In: Functionalism and Formalism in Linguistics. The 23rd Annual UWM Linguistic Symposium. University of Wisconsin-Milwaukee, Meeting Handbook, 1996, 53-54).Dieser Ansatz hat sich auch bei dem nachfolgenden Themenbereich als erfolgreich erwiesen.
Sprachtypologie und Universalienforschung
Sprachtypologie untersucht vor allem die Variation von Sprachen, Universalienforschung die Grenzen dieser Variation. Diesem Thema widmen sich mehrere Studien, aber auch ein eigener Workshop im Rahmen einer wissenschaftlichen Tagung.
Gebärdensprache
Seit 1992 werden an der Universität Klagenfurt Arbeiten im Bereich Gebärdensprache und Gehörlosenkultur/-bildung durchgeführt. Am Institut für Sprachwissenschaft und Computerlinguistik lief dazu ein hauptsächlich von Nationalbank und Arbeitsmarktverwaltung finanziertes Projekt („Linguistische Analyse der österreichischen Gebärdensprache“ 1993-95), dem ein zweites („Sprachwissenschaftliche Arbeiten zur Österreichischen Gebärdensprache“, 1995-98) folgte.
Seit längerer Zeit bestehen Bemühungen um die Einrichtung eines zumindest mittelfristig gesicherten Arbeitsbereichs. Dieser soll folgenden Hauptkriterien genügen: mindestens 50%iger Anteil gehörloser Mitarbeiter/innen; enge Koordination, wenn möglich Kooperation mit dem Dolmetschinstitut der Universität Graz und der Gehörlosenambulanz des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in Linz; Zusammenarbeit mit Gehörlosenvertretungen; möglichst 50%ige finanzielle Beteiligung außeruniversitärer Einrichtungen. Am 18. 12. 1996 hat der Senat der Universität Klagenfurt die Errichtung des FZGS beschlossen.
Leiter: F. Dotter
Mitarbeiterinnen: E. Bergmeister (gehörlos), M. Hilzensauer, M. Hobel (gehörlos, dzt. karenziert), K. Krammer, I. Okorn (gehörlos), A. Skant; ehrenamtliche Dolmetscherin J. Ellis
Zentrale Arbeitsbereiche und Ziele:
Das FZGS führt folgende sprachwissenschaftliche Arbeiten aus:
Zur Grammatik der Österreichischen Gebärdensprache (ÖGS) und zu ihrem Wortschatz;
Vergleich des Sprachtyps ‘Gebärdensprache’ mit Lautsprachen.
Speziell praxisbezogen sind Vorhaben wie:
Kurse zur ÖGS;
Typologischer Vergleich gesprochener/geschriebener und gebärdeter Sprachen; Hauptergebnisse: Wissenschaftliche Arbeiten;
Soziolinguistische Beschreibung der Situation der Gehörlosen und ihrer Gebärdensprachen bzw. Information der Öffentlichkeit und der Betroffenen, Vorschläge für politische Lösungen; Hauptergebnisse: Wissenschaftliche Arbeiten, Bemühungen um Anerkennung der ÖGS und europäische Kooperation;
Gehörlosenserver (http://deaf.uni-klu.ac.at).
Angebote für Studenten und außeruniversitäre Interessenten:
Gebärdensprachkurse für Anfänger und Fortgeschrittene
Betreuung von studentischen Arbeiten
Unterstützung von Projektvorhaben
Beratung bezüglich gehörlosenspezifischer Problemstellungen
Durch die praxisbezogene Arbeit des FZGS (1997 erschien die allererste CD-ROM zur Österreichischen Gebärdensprache mit ca. 750 Gebärden) soll auf lange Sicht ein Zugang Gehörloser und schwer Hörgeschädigter zu den Informationen unserer Gesellschaft hergestellt werden, der dem Hörender entspricht. Gleichzeitig soll durch den Einsatz vorwiegend gehörloser Mitarbeiter/innen eine verbesserte Selbstorganisation der Gehörlosen sowie zusätzliche Arbeitsmarktchancen erzielt werden. Vielleicht lassen sich langfristig aus solchen Vorhaben auch sozialökonomische Beschäftigungsprojekte entwickeln.